Eva Neukamm
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Texte

 Schachspiel als Metapher – zu den Arbeiten von Eva Neukamm (von Eva Schickler)
„The Game“ - Eine Kugel mit Schachbrettmuster auf dem Schachfiguren angeordnet sind, schwebt in einem weiten, unendlichen Universum. Sind die Würfel schon gefallen oder gibt es doch noch Licht, noch Hoffnung am Horizont?
Eva Neukamm teilt mit Künstlern wie Salvador Dali, René Magritte, Man Ray, Dorothea Tanning, Marcel Duchamp und Elke Rehder die Leidenschaft für Schach als Motiv in der Kunst.
„Kein anderes Spiel ist in der Kunstgeschichte so oft dargestellt worden: als politische Machtmetapher auf Herrscherbildern, als adliger Zeitvertreib in der Renaissance … Den uralten Denksport, der im Mittelalter über Indien und Persien nach Europa importiert wurde, umweht wie kein anderes Spiel eine Aura von Genialität, gemischt mit einer Prise Wahnsinn.“1
Schach, das Spiel von Intellekt und Strategie, zieht sich als Element meist in Form von Schachbrettmustern und Schachfiguren immer wieder aufs Neue durch Neukamms Werk. Es dient als tiefgreifende, universelle Metapher für die Polaritäten, die die menschliche Erfahrung im Laufe des Lebens prägen. Das Schachbrett mit seinen kontrastierenden schwarzen und weißen Feldern steht für einem symbolischen Kosmos, der den Kampf zwischen entgegengesetzten Kräften spiegelt. Ohne Sonne kein Schatten: Schwarz und Weiß repräsentieren die gegensätzliche Elemente Yin und Yang, das Licht und Dunkel, das Positive und Negative. So regt Neukamms Malerei zum Nachdenken über die Komplexitäten menschlicher Existenz und Schöpferkraft an.
So verweist das Motiv des Schachbretts im weiteren Sinn auch darüber hinaus auf das legendäre „Polgár Experiment“. Inspiriert von den Philosophien des Bildungsreformers John Dewey aus dem frühen 20. Jahrhundert bewies der ungarische Pädagoge László Polgár mittels seiner drei Töchter seine Hypothese, dass Genie nicht angeboren ist, sondern durch gezieltes und intensives Training in jungen Jahren, kombiniert mit einem förderlichen Umfeld, zu außergewöhnlichen Leistungen führen kann.2 Die Malerei von Eva Neukamm lässt sich daher auch als ein Stück Hoffnung interpretieren. Hoffnung, dass das Licht immer wieder die Dunkelheit überwindet.
1 https://www.monopol-magazin.de/die-schoenheit-des-spiels
2 Vgl.: https://www.psychologytoday.com/intl/articles/200507/the-grandmaster-experiment


Der Narr als Leitmotiv – zu den Arbeiten von Eva Neukamm (von Eva Schickler)
„Die Fähigkeiten des Menschen sind unendlich. Geniale Erfindungen, Innovationen – angetrieben durch Entdeckergeist, Spieltrieb und das Aufbegehren gegen Stillstand, sind die Triebfedern, die der Menschheit zum Fortschritt verhelfen.“ (Zitat: Eva Neukamm)
Diese Antriebskraft wird nicht nur im positiven Sinn verwendet, sondern geben andererseits auch die Abgründe des Menschen preis, indes er alle Anstrengung darauf verwendet, sich selbst/ sich gegenseitig zu zerstören. Die Gegensätzlichkeit lässt (für Eva Neukamm) den Narren erscheinen, welcher dem Unbegreiflichen zu einem Statement verhilft. Er steht dort, wie eine Landmarkierung, die in den Boden gerammt wurde, eine Statue, die der Situation noch mehr Ausdruck verleiht, eine erobernde Standarte und zugleich zu einem mahnenden Stolperstein, zu einem Zeitgenossen mit erhobenem Zeigefinger. Der Narr bzw. der Narrenstab wird folglich zur Leitfigur meiner Arbeit.
Darüber hinaus bediene ich mich des Stilmittels Spiel. In kleinen Ausschnitten stelle ich Begebenheiten des inneren und äußeren Lebens dar, sei es die Zerstörungskraft des Menschen, der Machtanspruch, festgefahrene Systeme, innere Zwiespälte, Lethargie und nicht zuletzt der Dialog zwischen Strategie und Schicksal. Manchmal scheint die ganze Welt in einem Narrenkostüm zu stecken. Die Trennung zwischen innerer und äußerer Welt hebt sich dabei wechselseitig auf. Das, was sich im Außen manifestiert, mag seinen Ursprung im Innern haben. Und im Umkehrschluss, alles was in unserem Inneren existiert, wird im Außen widergespiegelt. Letztlich haben wir als Mensch Einfluss auf die Gestaltung unserer Welt und unseres Miteinanders.
Der Narr als historische Figur hat seinen Ursprung an den Höfen. Er war Berater des Herrschers und ausschließlich ihm war es gestattet, ungestraft Kritik zu äußern. Mit dieser „Narrenfreiheit“ war er einen feste Institution. Seine zusätzliche Aufgabe, an die Vergänglichkeit des Ruhmes und des Reichtums zu erinnern, entstammte aus Zeiten des Römischen Reiches und verfolgte somit den philosophischen Ansatz des Memento Mori.
Im späteren geschichtlichen Verlauf wurde der Narr mehr und mehr zum Unterhalter und Spaßmacher mit Schelle und Marotte. In seiner Rolle verhält sich der Narr unkonventionell und ist nicht an Normen gebunden. Im Mittelalter fällt er daher aus der Ständestruktur und wird zur tragischen Figur. Im Gegensatz zum Menschen, der als Ebenbild Gottes galt, fiel der Narr aus dieser Einordnung. Eigenschaften wie Ignoranz, Gottesferne, Geistesblindheit und Trägheit waren die Attribute, die man dem Narren nachsagte.
Die Marotte – der Narrenstab, den der Narr mit sich trug, fungierte als das Spiegelbild des Narren. Insgesamt hielt der Narr mit seinem närrischen Treiben anderen einen Spiegel vor und offenbarte somit die Narrheit des menschlichen Seins. Der Spiegel gilt als Symbol der (Selbst-)Erkenntnis.
Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Narr in heutiger Zeit hat. Belustigt er uns? Hält er uns den Spiegel vor? Steht er uns gesonnen zur Seite, oder verächtlich? Hebt er überlegen und mahnend den Zeigefinger? Oder ist er Opfer unseres Handelns? Die Bedeutung des Narrens ist je nach Situation sehr individuell und hier ist der Betrachter eingeladen, dies für sich selbst herauszufinden.


 
 
 
 
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